Gehirn, Stress und Resilienz

So können wir unser Gehirn vor Stress schützen

Chronischer Stress verändert unser Gehirn

Bei Stress ist unser Alarmsystem im Gehirn, die Amygdala, aktiviert. Wir haben eine verschärfte Aufmerksamkeit für Bedrohliches und sind empfänglicher für negative Emotionen. Bei andauernder Stressbelastung steigt der Spiegel des Stresshormons Cortisol. Durch chronische Belastung kann der erhöhte Cortisolgehalt im Blut zum Abstreben von Zellen im Hippocampus und Präfrontalen Cortex führen mit weitreichenden Folgen.

Unser körpereigenes System zur Selbstregulierung wird beschädigt, da die „Regulierungsstelle“ im Hippocampus ermüdet. Weiteres Cortisol verstärkt die Aktivität unseres Alarmsystems Amygdala. Die hohe Cortisolkonzentration beschädigt aber auch die Zellen und Zellverbindungen. Die Funktion unserer wichtigsten Gedächtnisregion – der Hippocampus – wird eingeschränkt, ebenso die Funktion unseres „Kontrollzentrums“, der Präfrontale Cortex. Unsere Fähigkeit, überlegt und angemessen auf Situationen reagieren zu können, schwindet immer mehr.

 

Unsere „Alarmglocke“ Amygdala wird immer aktiver, in wichtigen Regulierungsregionen nimmt Aktivität ab.

Die Formbarkeit des Gehirns bewusst nutzen:

Selbstgesteuerte Neuroplastizität

Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften zeigen, dass wir Schrittweise unser Gehirn bewusst verändern können. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit und innere Haltung auf für uns nützliche, positive und angenehme Zustände richten, stärken wir unsere körperliche und psychische Gesundheit. Wir können besser mit Belastungen umgehen, werden resilienter, weniger anfällig für Stress.

Das Gehirn formt sich in Abhängigkeit von seiner Benutzung. Je häufiger Nervenzellen stimuliert werden, desto größer ist Wachstum und Vernetzung. Unser Verstand und unsere Reaktionen folgen wiederrum den gut ausgebauten neuronalen Strukturen. Denken und strukturelle Veränderungen gehen Hand in Hand: Gedanken formen Zellen und Zellverbindungen, die Zellstrukturen bestimmen wiederum unser Denken. Das Nervengewebe im Gehirn funktioniert ähnlich wie ein Muskel, der entsprechend seiner Benutzung stärker wird oder verkümmert: Entscheidend ist die Kombination von Denken und Gefühl: Etwas muss unter die Haut gehen!

Allein durch unser Denken können wir die neuronalen Netze stärken, um positive Qualitäten, innere Stärken, Zufriedenheit zu kultivieren! Wenn wir regelmäßig Selbstkritik, Zweifel äußern oder uns über andere ärgern, dann nimmt das Gehirn die Form an, die sich in zunehmender Anfälligkeit für Stress und Abnahme von stimmungsaufhellender Neurotransmitter wie beispielsweise Serotonin zeigt.

Resilienz entwickeln durch mentale Ressourcen und innere Stärken

Resilienz ist die Fähigkeit, auf die kleinen und großen Belastungen des Lebens schnell, anpassungsfähig und flexibel zu reagieren. Resilienz ist von Natur aus in uns allen!

Unsere inneren Stärken und Ressourcen bilden die Grundlage für unsere psychische Widerstandskraft. Wie schnell wir uns von bestimmten Dingen stressen lassen, hängt von unseren erlernten Mustern des Reagierens auf andere Menschen und Ereignisse ab. Negative Muster können sich mit der Zeit selbst verstärken, wenn wir uns oft Gedanken hingeben wie Ärger, Getriebensein, Enttäuschung, Sorgen, Hilflosigkeit, Misserfolge, Unbehagen, Fehler. Stehen wir unter Stress, sind wir besonders empfänglich für negative Eindrücke und Bewertungen, denn unser körpereigenes Alarmzentrum im Gehirn – die Amygdala – ist aktiv.

Es ist wichtig, uns auf positive Erfahrungen in schwierigen Situationen zu besinnen, wie Erfolge, Mut, Zufriedenheit, Ruhe, Freude, Sicherheit, Vertrauen, Mitgefühl, Anpassungsfähigkeit, Offenheit, Zuversicht, Kompetenz. Wir können nicht immer die äußere Situation ändern, aber mehr mentale Ressourcen und Stärken in uns identifizieren, die uns helfen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen, so dass sie weniger belastend sind. Dies eröffnet uns mehr und angemessene Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten.

Biologisch sind wir nur für kurzfristige Stressbelastungen ausgestattet!

Bei andauernder Belastung verliert unser Organismus die Fähigkeit zur Selbstregulation. Die Vielzahl täglicher kleinerer Belastungen fallen hinsichtlich ihrer schädigenden Wirkung stärker ins Gewicht als einmalige große Schicksalsschläge. Unter Stress sind wir für Negative Eindrücke sehr empfänglich, was dazu führt, dass weitere Stresshormone ausgeschüttet werden, so dass wir morgen unter Druck oder Ärger wieder etwas anfälliger gegenüber Stress werden und nächste Woche noch mehr. Es wird zunehmend schwieriger, positive Gefühle zu entwickeln und unsere inneren Ressourcen zu stärken.

Die beiden wichtigsten Gegenmittel bei Stress sind Bewegung – um die überschüssige Energie abzubauen und Entspannung, die den besänftigenden und beruhigenden parasympathischen Teil des Nervensystems aktiviert.

 

Was ist Resilienz?

Resilienz ist die Fähigkeit, auf Druck, Stress und Tragödien schnell, anpassungsfähig und effektiv zu reagieren. Zu unseren Ressourcen, die unsere psychische Widerstandsfähigkeit stärken, zählen u.a. ein höheres Maß an Vertrauen, Achtsamkeit, Empathie, Selbstmitgefühl, Wohlgefühl mit dem eignen Körper sowie größere Reservoirs an positiven Emotionen, mehr Ruhe, Mut und Flexibilität. Innere Stärken, die wir in unterschiedlichen Umfang mit gezielten Übungen aufbauen bzw. reaktivieren können.

Resilienz ist vergleichbar mit dem Kiel eines Segelbootes. Wenn die Winde des Lebens wehen, sorgt Resilienz dafür, dass Sie im Gleichgewicht bleiben und sich voranbewegen. Und wenn Sturmböen kommen, lässt Resilienz Sie ihr Boot so schnell wie  möglich wieder ausbalancieren.

Dr. Rick Hanson, Neuropsychologe

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Erich Kästner,
Schriftsteller